Als ich aufwache, denke ich an Albert Einstein. Über den schreibt Jim Kwik was Erstaunliches. Einstein schien gar nicht schnell gewesen zu sein, er dachte immer anders als Gleichaltrige. Er löste gerne mathematische Probleme, aber bei ganz einfachen Aufgaben machte er oft Fehler. Von diesen ließ er sich zum Glück nicht aufhalten. Er sagte: „Wer noch nie einen Fehler gemacht hat, hat noch nie etwas Neues versucht“. Unsere Fehlerkultur ist eine große Lernverhinderung. Kwiks Grundüberzeugung: So etwas wie Fehlschläge gibt es nicht, das einzige Versagen besteht darin, nicht dazuzulernen. Ich sage ja, lesen Sie dieses Buch. Frühstück ab 06.30 Uhr, das Programm geht um 08.00 Uhr los. Um 07.30 Uhr lernen wir Abdel Kareem kennen. er ist 75 Jahre alt, hat 10 Jahre in Hamburg gelebt, Ingenieur von Beruf, arbeitete zuerst in Abu Dabi und war dann 25 Jahre in Jordanien beim Staat angestellt. Sehr gutes Deutsch spricht er, mit seiner Frau spricht er auch Deutsch. Er wird uns die ganze Reise über begleiten. Er ist ein überaus bescheidener und herzlicher Mann. Wir sind seit November 2023 die erste Reisegruppe, er ist sehr glücklich uns zu führen. Und ich glaube, es wird eine gute Reise mit ihm. Im Laufe des gesamten Tages zeichnet er ein sehr differenziertes Bild der jordanischen Gesellschaft, mit viel Herz und Verstand, voller Stolz und Sorge. Das Königreich Jordanien ist arm, kein Öl, der Tourismus, eine Haupteinnahmequelle, stagniert, viele Menschen haben nur für die ersten Tage eines Monats Geld. Als wir an diesem Tag über den Markt laufen, begegnen uns nicht so viele Menschen. Obwohl wir nicht weit nach dem Monatsanfang waren. Dann begegnen uns Männer, der eine verkauft lediglich Oliven, der andere nur Ingwer, so schön und prächtig, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Wieder andere sitzen vor der zentralen Moschee, sie bieten sich als Tagelöhner an. Vor dem einem ein Eimer mit Kelle und Wasserwaage, vor dem anderen ein Eimer mit Malutensilien. Daneben ein alter Mann mit alten Schuhen, die er feilbietet. Mitten am Tag, in der genauen Stadtmitte, in der wir uns alle versammelt haben. Abdel Kareem zeichnet uns das Bild einer stolzen Monarchie, friedlich, quasi ein arabischer Ruhepol. Die Menschen unglaublich freundlich. König Abdullah II ist der derzeitige König, der sehr zum Leidwesen unseres Reiseleiters nicht in der Stadt lebt. Später zeigt uns Abdel Kareem im Jordanmuseum die Bilder vom König, dessen Vater und seinem Sohn. Ein wenig schimmert bei diesem stets positiven Menschen, der mit seinen 75 Jahren heute Morgen um 04.00 Uhr aufgestanden war und dann 90 Minuten durch das Land fuhr, um pünktlich bei uns zu sein, durch, wie enttäuscht er von der Politik sei. Wir alle sind oft enttäuscht von der Politik. Aber in einer Welt wie der unsrigen ist Politik ein äußerst schwieriges und zuweil dreckiges Geschäft geworden, vielleicht auch, weil es so unfassbar brutale Schurken gibt, die an den Schalthebeln der Macht sitzen. Um so bewundernswerter ist es, dass das kleine Jordanien, das die Größe Österreichs besitzt, eine so herausragende friedliche Rolle in der Region spielt. Kareem spricht ausführlich über die Rolle der Frauen, die eine wahrlich außergewöhnliche im arabischen Raum ist. Hier gibt es alles. Frauen, die sich westlich kleiden, aber auch Schleier, manche selbstbewusst, andere nicht. Er erzählt von den Mädchen, die an die Uni von daheim aus mit Schleier loslaufen und an der Uni Top und Shorts anziehen. Er erzählt von jungen Frauen mit Schleier und Shorts. Für sie hat er einen Witz bereit: „Oben für Allah, unten für Abdullah“. Er lebt in einer kleinen Stadt mit 8000 Menschen, 600 Frauen fahren Auto, wohin sie wollen. Mittlerweile gebe es Frauen in Parlamenten und sogar Ministerinnen. Manch einer von uns scheint zu schmunzeln, vielleicht ist dieser arrogante, eurozentristische Blick aber auch ein Teil eines anderen Problems. Kareem hat mir an diesem Tag mehr beigebracht, als ein Reiseführer dies jemals leisten kann. Im Gespräch fragt er mich: „Wollen wir Menschen nicht alle in Frieden leben“. Später bringt er uns ins Hotel und verabschiedet sich. Er wird nach 19.00 Uhr daheim sein und morgen wieder um 04.00 Uhr aufstehen. Er ist 75 Jahre alt, er will pünktlich um 07.30 Uhr da sein, schließlich gibt es auch morgen wieder viel zu erleben. Heute haben wir Amman kennengelernt. Kareem hat uns zur Zitadelle geführt. Ich konnte mir nicht alles merken, aber einiges schon. Wie die Römer es fertigbrachten riesige, mit Flaschenzügen errichtete Säulen aufzustellen und wie geschickt sie dabei arbeiteten. Blickt man von der Nähe auf eine Säule, sieht man, dass diese in der Mitte eindeutig dicker ist. Blickt man von der Ferne auf die gleiche Säule, erlebt man ein gleichmäßiges Gebäude. Ist das nicht der Wahnsinn. Überaus intelligente Kühlungssysteme, Wohnungen ohne Türen und der Blick auf das riesige Theater, welches wir später am Tag bewundern dürfen. In der Zitadellenanlage besichtigten wir einen Diwan, der das Gästezimmer eines Herrschers war, dessen Namen ich mir nicht behalten habe. Das sogenannte Gästezimmer hatte riesige Ausmaße, faszinierend. Sowohl das dortige Museum, als auch das Jordanmuseum, welches wir am Abend besichtigen, zeigen tolle Exponate, aber mangels finanzieller Mittel sind die Museum in die Jahre gekommen. Die Exponate sind wirklich großartig. Doch wo kein Geld, da kein modernes Museum. Irgendwann am Tag werde ich müde, ich kann nichts mehr aufnehmen, wir fahren zur größten Moschee Ammans. 10.000 Menschen passen hier rein. Hier hört die Emanzipation wirklich auf. Die Männer sind beim Muezzin, die Frauen in einem Nebenraum, sie dürfen per Lautsprecher zuhören. Wenn ich darüber nachdenke, finde ich das aus meiner Sicht nicht in Ordnung. Aber ein Blick in die Geschichte der Emanzipation in unserem Land, lässt mich doch sagen, dass diese Geschichte nicht 100 Jahre alt ist. Mein Vater hat meiner Mutter das Autofahren verboten, später hat sie dies bitter bereut, so lange ist das noch nicht her. Alles ganz schön kompliziert. Gesellschaften müssen sich entwickeln, Jordanien ist auf dem Weg. Möglicherweise sieht es in ein paar Jahren auch anders aus.