Montag, 06.05.2024

by Ralf Haug

70 Prozent der Fläche von Jordanien ist Wüste. Und dennoch, heute regnet es. Tatsächlich. Wir sitzen im Bus, es wackelt sehr und meine Schrift ist katastrophal. Dennoch schreibe ich ein wenig. Wir fahren auf kleinen Straßen durch das jordanische Gebirge. Kareem beginnt den Tag mit einem Witz über die Ostfriesen Jordaniens, die Tafili: In einem Dorf im Süden kauft sich ein Mann einen Pick-Up. Ein Nachbar sieht den neuen Wagen und liest auf der Rückseite 4 x 4. Er sieht sich um, denkt sich, wie dumm und nimmt einen Nagel und schreibt = 16. Der Besitzer ärgert sich und repariert den Schaden, so geht das ein paar Mal, irgendwann lässt der Besitzer 4 x 4 = 16 lackieren. Als er am nächsten Morgen zum Fahrzeug kommt, steht hinter der 16 ein Häkchen für okay. Und weil wir uns so erheitern, legt Kareem noch einen zweiten Witz nach: Eine Frau und ein Mann sehen wie zwei Männer eine Bank ausrauben. Die Diebe sprechen den Mann an, ob er was gesehen habe. Er schwört nichts gesehen zu haben und sagt, aber meine Frau hat alles gesehen. Ja, die Tafili, was die alles so sagen. So kann doch ein Tag beginnen. Ein paar Minuten später gehen wir alle in ein Traumgeschäft. Gewürze und Nüsse. Ein Traum. 250 Gramm große, wunderschöne Muskatnüsse für 8,00 Euro. Zatar, eine wunderbare Gewürzmischung, Chilikugeln, herrlich, anders, als wir es im Supermarkt kaufen. Ich bin mitten in einem Gewürzeparadies. Ich freue mich Freunde damit beschenken zu können. Das Busfahren ist heute echt abenteuerlich. Das Wasser steht auf den Straßen, da wir durch sehr hügeliges Gelände fahren, ist es sehr herausfordernd. Der hellenistische Tempel, den wir besuchen, ist beeindruckend. Riesige Quader, erbaut 182 v. Chr., das Bilderverbot hat es noch nicht gegeben. Vor den Toren verkauft ein Händler herrliche Datteln, solche bekommst du nicht bei uns. Auf unserem Weg fahren wir durch wenige Städte. Auffällig der Müll, der hier überall rumliegt. Das scheinen sie hier nicht in den Griff zu bekommen. Nach einer abenteuerlichen Fahrt sind wir wieder in Amman und fahren jetzt auf den Berg Nebo, wo angeblich Mose begraben liegt. Was für ein erhabener Ausblick. Wir schauen nach Israel, bei klarer Sicht kann man hier Jerusalem sehen. Heute ist es neblig, unter uns das Tote Meer und eine herrliche Landschaft. Es sieht alles so friedlich aus. Wie könnte die Welt so schön sein. Hier treffen sich Arabien und Israel, ganz friedlich und vereint. Man erkennt Jericho, 50 km Luftlinie liegt Jerusalem, Ramallah im Westjordanland ist noch näher. Wenn die Mächtigen dieser Welt ihre Völker nur nicht ins Elend treiben würden. In der Kirche wunderbare Mosaike mit Szenen einer Jagd. Markus erzählt die Geschichte von einer Schlange, die im orientalischen Denken überhaupt keine negative Konnotation erfuhr. Die Schlange in der Nebokirche windet sich um ein Kreuz, so wie auch Jesus an einem Kreuz sein Leben gelassen hat. Die Schlange gibt Kraft, schenkt Leben, aus ihrem Gift können heilende Medikamente gemacht werden. Leben schenken, dies ist die Idee. Markus spricht von den Erzählern, deren erzählter Geschichte, die von Geschichten erzählen, die sie gar nicht erlebt haben. Historische Ereignisse, wie der Niedergang des Nordreiches 722 v. Chr. durch die Assyrer und der Untergang des Südreiches 587 v. Chr. durch die Babylonier, sind das eine, erzählte Geschichten das andere. Auch neu für mich, der Name Mose ist völlig bedeutungslos. Der Name Jesus wird im Koran öfter erwähnt, als der Name Mohammed. Die Verbundenheit von Judentum, Islam und Christentum wird an diesem Ort überaus spürbar, quasi mit den Händen greifbar. Zurück im Bus holt uns Kareem in die Realität zurück. Er erzählt über das Schul- und Rentensystem. Mit vier Jahren gehen die Kinder für zwei Jahre in den Kindergarten, im zweiten Jahr lernen sie die Buchstaben, weiter gehen sie bis zur 5. oder 6. Klasse gemeinsam in die Schule, ab der 7. Klasse werden die Geschlechter getrennt. Nach der 9. oder 10. Klasse gehen die einen in den Beruf und die anderen machen einen Abschluss, um an einer Universität zu studieren. Der Staat begrenzt die Zugänge zu bestimmten Studien. Um Arzt zu werden musst du mindestens 98 Prozent aller Punkte haben, für den Ingenieur 95 Prozent. Es gibt sehr viele arbeitslose Akademiker. Früher war es erstrebenswert beim Staat zu arbeiten, das hat sich geändert. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 20 Prozent. Kareem hat 700 Dinar Rente, das sind ca. 850 Euro. Es gibt unterschiedliche Rentensysteme, wäre er in einem anderen, hätte er mehr. Schwierig wird es für die Geschlechter an der Universität. Auch in Jordanien müssen Mädchen, die heiraten, Jungfrau sein. Deshalb passen die Eltern sehr gut auf ihre Mädchen auf. Wer keine Jungfrau ist, wird verstoßen. Über das Heiraten will er an anderer Stelle berichten. Wir fahren nach Madaba und schauen uns in der Apostelkirche ein mächtiges Mosaik an. Viele Tiermotive, wunderschön, danach gehen einige Maqluba essen und einige von uns, ich auch, laufen durch die Stadt. Eine sehr schöne Stadt, in einem Café trinken wir Orangen- und Granatapfelsaft. Den Abschluss bildet eine orthodoxe Kirche, in der ein teilweise erhaltenes Mosaik zu bestaunen ist, das Tote Meer, Israel, Ägypten, das, was wir heute Jordanien nennen, sind zu sehen. Zurückschlendern zum Bus und wir fahren nach Amman. 11 Stunden zahlreiche Eindrücke werde ich mitnehmen in den Abend. Gerade fahren wir wieder über einen Hump. Von denen gibt es hier ganz schön viele. Mächtige Betonschweller, die dafür sorgen, dass hier keiner rast. Mehr als 80 km kann hier keiner fahren. Außer den Humps begegnen uns zahlreiche Ziegen und Schafe und tatsächlich überdachte Bushaltestellen, wohl eher gedacht als Schutz gegen die Hitze. Der Tag endet mit einem guten Essen im Hotel.